Viele Unternehmen stellen ganz an den Anfang ihrer ERP-Auswahl fast reflexartig die Analyse der Ist-Prozesse. Ein oder mehrere Mitarbeiter werden abgestellt, um die Prozesse zu analysieren und feinsäuberlich grafisch zu modellieren. In der Fachwelt und auch in der einschlägigen Literatur wird über Sinn oder Unsinn der Prozessmodellierung sehr kontrovers diskutiert. Die Bandbreite der Meinungen reicht dabei von totaler Ablehnung bis hin zu einmütiger Zustimmung.
Was sagen die Software Lotsen dazu? Die Antwort ist: Es kommt drauf an! Und zwar wie man es im Detail angeht und welcher Nutzen daraus gezogen wird. Geht man nämlich geschickt vor, dann lässt sich auf jeden Fall Nutzen daraus ziehen.
Wie argumentieren die Kritiker?
- Zu häufig werden über viele Wochen die Prozesse aufwändig in Flussdiagrammen modelliert, ohne zu überlegen, was hinterher genau damit gemacht wird. Dummerweise sind Flussdiagramme nicht unbedingt vorteilhaft für die Zwecke und Fragestellungen im Rahmen der ERP-Auswahl.
- Teilweise ist in der Praxis auch zu beobachten, dass die aufgezeichneten Prozesse im Alltag überhaupt nicht so gelebt werden, weil man sich am QM-Handbuch orientiert. Damit taugen sie wenig als echte Diskussionsgrundlage.
- Die Auseinandersetzung mit den Prozessen beschränkt sich oft auf die Erhebung der Ist-Prozesse. Prozessoptimierung und Definition der Soll-Prozesse fallen zu oft unter den Tisch.
- In vielen Fällen landen die Prozessdokumente in den Schubladen und werden weder bei der ERP-Auswahl noch bei der anschließenden ERP-Implementierung eingesetzt. Dann ist definitiv im Vorfeld etwas schiefgelaufen.
Was meinen die Befürworter?
- Fokussiert man sich auf die wichtigsten, sprich wertschöpfenden Hauptprozesse und geht geschickt vor, dann ist Analyse der Prozesse mit vernünftigem Ressourceneinsatz möglich.
- Gut modellierte Prozesse zeigen deutlich, wo Durchlaufzeiten zu hoch, Kompetenzen unklar oder Entscheidungswege zu lang sind.
- Die Wahl einer praxisgerechten Notation (Darstellungsform) ist die Basis, dass die Abläufe für jedermann schnell klar werden. Dann landen die Prozesse auch nicht in der Schublade.
- Richtig aufbereitete Prozesse sind eine wertvolle Quelle, um relevante Anforderungen für das ERP-Lastenheft herauszuarbeiten.
Resümee
Das Ziel der Prozessanalyse muss sein, Schwachstellen und Verbesserungspotentiale in den betrieblichen Abläufen zu erkennen und optimierte Soll-Prozesse zu definieren. Zudem können aus den Prozessen praxistaugliche und wichtige ERP-Anforderungen abgeleitet werden. Dies ist in der Praxis oft nicht der Fall, weil es an Erfahrung fehlt, den Transfer aus den Prozessen in die ERP-Welt zu schaffen. Dazu braucht es ein gewisses Gespür, um die neuralgischen Prozessschritte zu erkennen und deren Auswirkung in die Sprache eines ERP-Systems zu übersetzen. Auch für mittelständische Unternehmen ist eine nutzbringende Prozessanalyse möglich, ohne dabei Ressourcen zu vergeuden. Dazu braucht es allerdings eine strukturierte und gezielte Vorgehensweise.